KZ COLUMBIA
1933, im ersten Jahr ihrer Herrschaft, richteten die Nationalsozialisten am Nordrand des Tempelhofer Feldes, auf dem Gelände der späteren Flughafenerweiterung, ein Gestapo-Gefängnis und im folgenden Jahr ein Konzentrationslager ein. Dies war das einzige offizielle Konzentrationslager der SS auf Berliner Boden – eine Tatsache, die weithin unbekannt ist.
Militär-Arrestanstalt
Genutzt wurde ein leer stehender Gefängnisbau, der den Namen „Columbia-Haus“ trug. Dieser war 1896 als dritte Berliner Militär-Arrestanstalt erbaut worden. Er gehörte zu der gleichzeitig errichteten Kasernenanlage auf der anderen, nördlichen Seite des heutigen Columbiadamms, damals Prinz-August-von-Württemberg-Straße, und umfasste ein Arrestgebäude mit Wachstube und 156 Zellen, ein Gerichtsgebäude und ein Beamtenwohnhaus. Soldaten, die im südlichen Teil Berlins kaserniert waren, wurden hier für Ungehorsam bestraft. 1918 wurde die Arrestanstalt zum „Gefängnis Tempelhofer Feld“. Sie unterstand der Gerichtsinspektion I, später dem Strafvollzugsamt Berlin. Den Namen Columbia-Haus erhielt sie zu Ehren des Flugzeugs „Columbia“, das 1927 nach einer Atlantiküberquerung auf dem Tempelhofer Feld landete. 1929 wurde auch die Prinz-August-von-Württembergstraße in Columbiastraße umbenannt, heute heißt sie Columbiadamm.
Gestapo-Gefängnis 1933 / 1934
Das Gefängnis wurde Ende der 1920er Jahre geschlossen und 1933 wieder in Betrieb genommen. Durch die Verhaftungswellen des frühen NS-Regimes gegen politische Gegner waren die bestehenden Haftstätten schnell überfüllt. So nahm man auch, wie beim Columbia-Haus, ein düsteres, heruntergekommenes Haus wieder in Funktion, das den sanitären und hygienischen Anforderungen während der Weimarer Republik nicht mehr entsprochen hatte. Die ersten Gefangenen wurden vermutlich im Sommer eingeliefert. Ein früher Häftlingsbericht erschien 1935 in der im Prager Exil herausgegebenen „Neuen Weltbühne“. Er stammt von Kurt Hiller, jüdischer Schriftsteller, Pazifist und Sozialist. Hiller wurde im Juli 1933 als „Schutzhäftling 231“ von der Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße hierher gebracht und blieb, wie er schrieb, „fast dreieinhalb Monate in dieser Blut- und Kothölle“.
Das Gefängnis im Columbia-Haus war der Gestapo unterstellt, der im April 1933 zur Verfolgung der politischen Gegner eingerichteten Geheimen Staatspolizei, und von SS-Männern bewacht. Die SS, wie die „Schutzstaffel“ der NSDAP genannt wurde, zeichnete sich durch bedingungslose Bindung an Hitler aus. Das Columbia-Haus füllte sich schnell mit Häftlingen, die im Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale in der Prinz-Albrecht-Straße 8 keinen Platz mehr fanden oder vom Gefängnis Spandau zur verschärften Haft hierher verlegt wurden. Bei einer Durchschnittsbelegung von 450 Gefangenen ab Februar 1934 herrschte in den 156 Einzelzellen drangvolle Enge. Die Häftlinge wurden eingeschüchtert, erniedrigt, misshandelt und gefoltert, mehrere ermordet. Das Columbia-Haus war wie andere Stätten des NS-Terrors ein Ort völliger Rechtlosigkeit, darüber hinaus jedoch berüchtigt für besonders brutale Misshandlungen. Gestapo- und SS-Männer praktizierten einen so schlimmen Terror, dass im September 1934 „Schikanen“ und „Quälereien“ offiziell verboten wurden, ein außergewöhnlicher Vorgang für ein Konzentrationslager.
In den ersten Monaten der NS-Herrschaft waren zum Verhör und zur Misshandlung politischer Gegner allein in Berlin mehr als hundert Lager und Folterstätten eingerichtet sowie „Schutzhaftabteilungen“ in Gefängnistrakten geschaffen worden. Die „Reichstagsbrand-Verordnung“ vom 28. Februar 1933 hatte die unbegrenzte „Schutzhaft“ und die willkürliche Einweisung in Konzentrationslager legalisiert. Die meisten dieser Lager wurden nach Tagen, Wochen oder wenigen Monaten wieder aufgelöst. Das Columbia-Haus hingegen bestand bis zum November 1936, erst als Gestapo-Gefängnis, dann als Bestandteil eines damals im Aufbau begriffenen umfassenden Konzentrationslager-Systems.
Konzentrationslager Columbia 1934–1936
Im Dezember 1934 wurde das Columbia-Haus der neu eingerichteten „Inspektion der Konzentrationslager“ unterstellt. Es erhielt offiziell die Bezeichnung „Konzentrationslager Columbia“. Theodor Eicke, Kommandant des KZ Dachau und ab Sommer 1934 „Inspekteur der KL“ und der SS-Totenkopfverbände, hatte eine Lagerordnung erlassen, die ab Sommer 1934 auf alle noch bestehenden und neu gegründeten Konzentrationslager im Reichsgebiet übertragen wurde. Mit einem ausgefeilten System von Strafen, Normierungen und Vorschriften sollte der KZ-Betrieb als geregelter Haftvollzug erscheinen. Tatsächlich waren die Gefangenen dem Kommandanten und der Willkür der Bewacher bedingungslos ausgeliefert.
Als früher Teil dieser neuen, zentralisierten Organisationsform wurde das KZ Columbia zum einzigen SS-offiziellen, eigenständigen Konzentrationslager auf Berliner Stadtgebiet. Dabei hatte es auch weiterhin eine besondere Funktion als Haftstätte für die im Hausgefängnis der Gestapo-Zentrale verhörten Gefangenen; dreimal täglich fuhren Gefangenentransporte zwischen dem KZ Columbia und der Prinz-Albrecht-Straße hin und her. Insgesamt waren im Columbia-Haus mindestens 8000 Männer eingesperrt, vor allem politisch Missliebige, Kommunisten, Sozialdemokraten, Intellektuelle, Demokraten aus verschiedenen Berufsfeldern. Jüdische Häftlinge wurden besonders gequält. 1935, nach den verstärkten Razzien im Zusammenhang mit der „Röhm-Affäre“ und der Strafverschärfung des Paragraphen 175 des Strafgesetzbuches („schwere Unzucht zwischen Männern“), brachte man viele Homosexuelle in das Columbia-Haus; sie stellten zeitweise die Hälfte aller Gefangenen.
Unter den Häftlingen waren viele Prominente des öffentlichen Lebens der Weimarer Republik, zum Beispiel die Sozialdemokraten Ernst Heilmann, Theodor Haubach und Franz Neumann, die Kommunisten Erich Honecker, Georg Benjamin und Werner Seelenbinder, Robert M. W. Kempner, später Chefankläger der USA bei den Nürnberger Prozessen, der Anwalt und Strafverteidiger Hans Litten, der Rabbiner und Präsident der Reichsvertretung der deutschen Juden Leo Baeck und der Kabarettist Werner Finck. Die Haftbedingungen waren grausam, die hygienischen Verhältnisse, die Verpflegung und die Krankenversorgung erbärmlich.
Die SS-Kommandanten des Columbia-Hauses konnten sich hier im Sinne der SS bewähren und für weitere „KZ-Karrieren“ in Stellung bringen. Unter ihnen war Karl Otto Koch, später Kommandant der Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Lublin-Majdanek. Sein „Dienstalbum“ enthält eine Fülle von Fotos, die den Alltag und die Gefangenen des KZ Columbia aus der Täter-Perspektive zeigen. Auch die SS-Wachmannschaften wurden hier für spätere KZ-Aufgaben ausgebildet.
Im November 1936 löste man das KZ Columbia auf und brachte die Gefangenen in das neu erbaute KZ Sachsenhausen bei Oranienburg, das „Musterlager“ der Reichshauptstadt, dessen Pläne im KZ Columbia ausgearbeitet und dessen Baulichkeiten von Häftlingen der Lager Columbia und Esterwegen errichtet worden waren. KZ-Häftlinge sollten nach den Vorstellungen des Reichsführers SS Heinrich Himmler nicht länger in maroden Gebäuden gefangen gehalten werden, sondern in „modernen“, erweiterungsfähigen städtebaulichen Lagerkomplexen. Zudem stand das Columbia-Haus dem Ausbau des Flughafens Tempelhof zum „Weltflughafen“ im Wege. Im Frühjahr oder Sommer 1938 wurde der Gefängnisbau abgerissen. Wie viele Todesopfer es im Gestapo-Gefängnis und KZ Columbia gab, ist nicht bekannt. Die Täter wurden nicht angeklagt.
An die Haftstätte und ihre Opfer erinnert seit 1994 das Denkmal des Bildhauers Georg Seibert am Columbiadamm, Ecke Golßener Straße. Der historische Standort des Columbia-Hauses wird ab September 2024 durch die Schriftinstallation „nicht mehr zu sehen“ auf der Böschung am Columbiadamm direkt vor der Kulisse des Flughafengebäudes markiert. Das Erinnerungszeichen wurde von Martin Bennis und dem Weidner Händle Atelier entworfen.
St. Endlich, M. Geyler-von Bernus, B. Rossié
Literaturauswahl
Kurt Schilde, Johannes Tuchel, Columbia-Haus. Berliner Konzentrationslager 1933-1936, Berlin 1990 Johannes Tuchel, Das Konzentrationslager Columbia. In: Günter Morsch (Hrsg.), Von der Sachsenburg nach Sachsen