NS-Zwangsarbeit in Berlin und am Flughafen Tempelhof

Millionen von Menschen aus ganz Europa wurden verschleppt und in der NS-Zwangsarbeit ausgebeutet. Dieses Verbrechen geschah vor aller Augen, in großen Betrieben ebenso wie in Privathaushalten. Auf dem Tempelhofer Feld, mitten in Berlin, wurden 1940-1945 mehrere tausend Menschen zur Arbeit in der Rüstungsindustrie gezwungen.

Roland Borchers vom Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide und Kathrin Misterek, Archäologin und Historikerin, warfen am 19. Oktober 2022 den Blick auf dieses historische Geschehen – am Flughafen und in ganz Berlin. Dabei gingen sie auch der Frage nach, wie wir heute mit den ehemaligen Orten der Zwangsarbeit umgehen, und wie unterschiedlich die Erinnerung an diesen Orten stattfindet.

Allgegenwärtige NS-Zwangsarbeit

Für die wirtschaftliche Stabilität des nationalsozialistischen Regimes war Zwangsarbeit ein entscheidender Faktor. Berlin war hierbei keine Ausnahme, im Gegenteil: Sie fand in fast allen Bereichen statt und war fest mit dem beruflichen Alltag verbunden.

In Berlin mussten während des Zweiten Weltkrieges knapp eine halbe Million Menschen Zwangsarbeit leisten.

- Roland Borchers (Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit)

Für die betroffenen Menschen bedeutete dies in der Regel Misshandlung und Demütigung. Ausschlagend dabei war, wie Roland Borchers darstellen konnte, neben dem Einsatzort insbesondere die Einordnung innerhalb des rassistischen Weltbilds der Nationalsozialisten: Zwangsarbeiter:innen aus Westeuropa kam eine bessere Behandlung zu als solchen aus Osteuropa, jüdische Menschen oder Sinti und Roma waren dabei noch einmal deutlich schlechter gestellt.

Kathrin Misterek veranschaulichte dies am Beispiel der Rüstungsproduktion am Flughafen Tempelhof. Hier mussten ab Herbst 1940 zunächst polnische Zivilist:innen arbeiten, ab 1941 kamen französische Kriegsgefangene und Zivilist:innen aus Frankreich, Italien, den Niederladen hinzu. Im Zuge des Kriegs gegen die Sowjetunion wurden ab 1942 vermehrt sogenannte „Ostarbeiter“ zum Arbeitseinsatz gezwungen, vor allem aus Russland, der Ukraine und Belarus. Ihre Arbeits- und Lebensbedingungen hingen stets davon ab, wie stark der NS-Staat sie rassistisch herabsetzte.

Heutiges Gedenken und Sichtbarmachung

Heutzutage sind im Stadtbild Berlins kaum noch Spuren des gewaltigen Komplexes der NS-Zwangsarbeit erkennbar. Zwar existieren einige Gedenk- und Informationsorte wie das Dokumentationszentrum NS-Zwangsarbeit in Schöneweide oder das Kirchliche Friedhofslager Neukölln. Das historische Ausmaß bilden sie jedoch nicht ab, stellten Herr Borchers und Frau Misterek fest.

In der anschließenden Diskussion mit Herrn Professor Nachama und dem Publikum knüpfte die Vortragenden an diese These an. Sie beschlossen die Veranstaltung mit einem Plädoyer für eine stärkere Sichtbarmachung der NS-Zwangsarbeit – auch auf dem Tempelhofer Feld.

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